Der lange Weg nach Westen I by Heinrich August Winkler

Der lange Weg nach Westen I by Heinrich August Winkler

Autor:Heinrich August Winkler [Winkler, Heinrich August]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fachbücher, Geschichtswissenschaft, Deutschland, Deutsche Geschichte, Geschichte nach Ländern, Geschichte allgemein, Zwischenkriegszeit, Politik & Geschichte, Weimarer Republik, Europa, Neuzeit, Epochen
ISBN: 9783406660498
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 2014-01-20T23:00:00+00:00


7.

Die vorbelastete Republik 1918–1933

Als der Erste Weltkrieg am 11. November 1918 mit dem Waffenstillstand von Compiègne zu Ende ging, hinterließ er bei Siegern und Besiegten tiefe Verstörungen. Dieser Krieg war von anderer Art gewesen als die deutschen Einigungskriege der Bismarckzeit. Es war der erste Krieg, in dem mit den Mitteln der modernen Technik Menschen massenhaft und anonym vernichtet wurden: durch Flammenwerfer und Gas, durch Torpedos von Unterseebooten und Bomben aus Flugzeugen. Der Schrecken wirkte bei den Überlebenden nach, aber auch die Faszination, die von der Entdeckung ausging, was Masse und Technik vermochten, wenn man ihnen gestattete, die Fesseln der Zivilität abzustreifen.

Es gab nicht das Kriegserlebnis, sondern viele Kriegserlebnisse: Die Soldaten hatten den Krieg anders erfahren als die Zivilisten, die Front anders als die Etappe, die Offiziere anders als die Mannschaften, Bauern anders als Städter, Akademiker anders als «einfache» Menschen, Männer anders als Frauen, Erwachsene anders als Jugendliche und Kinder. Und natürlich entschied der politische Standort mit darüber, wie jemand den Krieg wahrnahm und rückblickend bewertete. Wer sich schon 1914 der «Kriegsbegeisterung» verweigert hatte oder durch den Krieg zum Kriegsgegner geworden war, konnte sich 1918 auf die radikalste aller linken Positionen stellen und den Krieg mit dem Bürgerkrieg beantworten, um die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu beseitigen, aus der der «imperialistische Krieg» vermeintlich hervorgegangen war. Wer den Krieg als Naturnotwendigkeit bejahte und bis zuletzt daran festhielt, daß der Krieg für sein Land nur ein gerechter sein konnte, für den war der Friede kaum mehr als ein Zwischenspiel bis zum nächsten bewaffneten Kampf zwischen den Völkern. Diese Position, die der äußersten Rechten, war Ende 1918 ebenso wie die der extremen Linken nur eine Minderheitsmeinung. Die große Mehrheit in allen Ländern hatte genug vom Krieg, ohne deswegen schon zum grundsätzlichen Pazifismus bekehrt zu sein. Wie dauerhaft der Friede sein würde: das hing vor allem davon ab, als wie gerecht oder ungerecht er empfunden wurde.[1]

In der Erwartung eines gerechten Friedens hatte sich Deutschland Anfang November 1918 von seinem monarchischen System gelöst und in eine Republik verwandelt. Was unter einem gerechten Frieden zu verstehen war, darüber gab es damals freilich weder Einigkeit noch Klarheit. Daß Deutschland als einheitlicher Staat erhalten blieb, sein Territorium möglichst ungeschmälert behaupten konnte und keine oder nur geringe Kriegsentschädigungen zahlen mußte, darauf richteten sich die Hoffnungen aller. Zugleich war den meisten aber bewußt, daß Elsaß-Lothringen wieder an Frankreich und die polnischsprechenden Teile Preußens an den neuentstandenen polnischen Nationalstaat fallen würden. Einen gewissen Ausgleich erhofften sich viele vom Anschluß Österreichs: Nachdem die Habsburgermonarchie, Deutschlands engster Verbündeter im Weltkrieg, zerfallen war und die Provisorische Nationalversammlung in Wien am 12. November 1918 Deutschösterreich zur Republik und zu einem Bestandteil der Deutschen Republik erklärt hatte, wäre dies eine Lösung im Sinne des von Wilson geforderten Selbstbestimmungsrechts der Völker gewesen. In Deutschland wie in Österreich waren die Sozialdemokraten, die sich mit gutem Recht als die eigentlichen Erben der Revolution von 1848 fühlten, die beredtesten Befürworter eines großdeutschen Nationalstaates. Doch bei nüchterner Betrachtung sprach nichts dafür, daß die Sieger einer solchen Gebietsvergrößerung des geschlagenen Hauptgegners zustimmen würden.

Realistischer war die



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